Botschaft                                                                                       2011-03-08

Botschaft anlässlich des Weltfrauentags

Die Menschheit im 21. Jahrhundert steht leider weiterhin vor dem gemeinsamen Problem der Benachteiligung der Frau und ihrer ungerechten Behandlung. In vielen Ländern der Welt haben sich staatliche Einrichtungen, akademische Kreise, Medien, Frauenorganisationen, Zivilorganisationen und Stiftungen der Bewältigung dieses Problems verschrieben, das sich überall auf der Welt anders manifestieren und andere Dimensionen annehmen kann. All diese Bemühungen sind aber nicht hinreichend, um das Problem auch im gewünschten Maße zu bewältigen. Wir alle wissen, dass das Problem der Ungleichbehandlung der Frau, des Umstands, dass sie von der Politik wie von der Öffentlichkeit oder der Gesellschaft nicht als gleichwertiges, unabhängiges und starkes Individium betrachtet wird, nicht einfach auf die Religion oder die kulturellen Hintergründe abgeschoben werden kann. Unberührt hiervon bleibt, dass jedes Individium und jede Einrichtung ihre Möglichkeiten und ihre Überzeugungskraft zunächst im eigenen Umfeld einsetzen und dieses Problem zunächst hier angehen sollte.

Aus diesem Grunde müssen auch muslimische Gesellschaften ihre Eigendynamik freisetzend einen Beitrag hierzu leisten. Die Bemühungen des Propheten des Islam um die Anerkennung der Frau als Individium, die bis dahin nur unterdrücktes Element ihrer Gesellschaft, hier sogar praktisch nichtexistenz war sowie um ihre Stärkung, wurden in der Zeit nach dem Propheten von den Muslimen nicht immer verstanden und entsprechend umgesetzt. Zu einem der Probleme, denen muslimische Gesellschaften unserer Zeit gegenüber stehen, gehört leider auch dies. So können manche Gruppen, bedingt durch soziale Strukturen und Sanktionsmechanismen, die sich speisen aus Familien-, Sippen- und Clanstrukturen und einem regionalen und überkommenen Sittenverständnis sowie als Ausdruck der Schieflage ihres Wahrnehmungsvermögens oder ihrer Vorurteile, die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, wie sie vom Islam für Mann wie Frau gleichermaßen formuliert wurde, außer Acht lassend dieselbige und damit einen derart hohen religiösen Wert verletzen, wenn sie Frauen Leid antun oder sie dikriminieren. Damit laden sie sich nur weitere religiöse wie gesellschaftliche Schuld auf.

Es ist unser aller Pflicht, dieses Problem Ernst zu nehmen und Frauen eine Qualifikation zukommen zu lassen, mit der sie in allen gesellschaftlichen Schichten Aufgaben und Verantwortung übernehmen sowie initiativ werden können. Dazu gehört, dass sie - allen voran im Bildunbsbereich - in allen Feldern, in denen sie ihr Können unter Beweis stellen können, auch eine Chancengleichheit bekommen. Ebenso ist es unser aller Pflicht, die Männer unserer Gesellschaft darauf vorzubereiten, diese Aufgaben und Verantwortungen zu teilen.

Vor genau einem Jahrhundert wurde der 8. März als “Weltfrauentag” ausgerufen. Er nahm seinen Ausgang mit dem Aufbegehren der Frauen gegen die Ausbeutung insbesondere in der Industriegesellschaft und symbolisiert heute einen Prozess, der seinen weiteren Verlauf nahm mit dem Einstehen dieser Frauen für ihr aktives und passives Wahlrecht.

Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass in Deutschland und damit in einem der Länder, in dem Demokratie und Menschenrechte etabliert und verfestigt sind, insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund und muslimischen Frauen noch nicht in allen gesellschaftlichen Schichten als Individium genügend Akzeptanz entgegenschlägt, und dass ihre gesellschaftliche Teilhabe hier noch nicht bewerkstelligt werden konnte.

Die Politik ist hier aufgefordert, unter Beachtung der Empfindsamkeiten und Interessen der muslimischen Frau positive und zielführende Signale zu setzten, die geeignet sind ihr in bzw. für Bildung, Beruf, Arbeitsleben, Gesellschaft und politische Partizipation den Weg zu öffnen sowie hierfür konstruktiv initiativ zu werden.

Die Türkisch Islamische Union wird auch weiterhin die Bemühungen um die Gleichberechtigung der Frau unterstützen und derart diesem Prozess beitragen, indem sie die Muslime an die Einstellung bzw. den Blickwinkel des Islam zum Menschen erinnert und sie dabei unterstützt, die diesbezügliche Geisteshaltung des Islam zu verinnerlichen.

Wir fodern daher die Muslime im Allgemeinen, insbesondere aber unsere Ortsgemeinden und Landesverbände dazu auf, den Frauen in allen Bereichen Chancengleichheit zu bieten, ihnen die Möglichkeit zu gewähren, Verantwortung zu übernehmen und initiativ zu werden und sie in die Entscheidungsprozesse mit einzubinden.

DITIB
Türkisch Islamische Union

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